Zu Beginn des 20. Jahrhunderts machten einige große Töpferfamilien Nabeul zur Hauptstadt der tunesischen Keramik.
Nabeul, die Hauptstadt von
Cap Bon und Nachbarstadt von Hammamet, behauptet mit Stolz mehrere Dynastien von Keramikkünstlern hervorgebracht zu haben: die Kharraz, die Ben Sedrine, die Abderrazak.
Im Laufe des 20. Jahrhunderts haben diese Künstler die traditionelle Keramikkunst von Tunis, die man heute noch in den alten Palais und Medressen bewundern kann, wieder aufleben lassen: die mit Fliesen dekorierten Wände des
Dar Othman, des
Dar Hussein, des Dar Lasram, der Medresse Slimeniya … oder die alten, im
Bardo-Museum ausgestellten Töpferwaren.
Alles begann als sich Joseph-Ferdinand und Elise Tissier, zwei französische Keramiker, 1898 in Nabeul niederließen, um dort eine Werkstatt einzurichten. Aus der Verbindung zwischen neuen europäischen Techniken und dem althergebrachten Wissen der Töpfer von Nabeul, entstand so eine neue Kunst. Denn Nabeul war zu jener Zeit bereits für seine schöne, gedrehte Töpferware mit der gelben und grünen Glasur berühmt.
Einige Jahre später eröffneten andere Unternehmer ihrerseits Werkstätten in Nabeul: der Tunesier Jacob Chemla und dann der Franzose Pierre de Verclos.
So entstand das was wir heute die Zeit der „künstlerischen Töpferei“ nennen. Töpferwaren und Fliesen mit schönem weißem Email, geschmückt mit färbigen Motiven, die dem tunesischen Erbe, der Keramik des 18. Jahrhunderts, nachempfunden wurden.
Jacob Chemla (dessen Söhne Victor und Mouche hervorragende Keramiker wurden) blieb nur wenige Jahre in Nabeul. Aber viele junge Töpfer aus Nabeul wurden in den drei Werkstätten von Tissier, Chemla und De Verclos in den neuen Techniken ausgebildet und einige von ihnen waren darin sehr erfolgreich.
Zu ihnen zählen die Zwillingsbrüder Hassan und Hassine Abderrazak, die zu den besten Keramikkünstlern Nabeuls zählten. In der nächsten Generation findet man Mohamed, Hassans Sohn, und seinen Cousin Abdelkader, der das erste Muster für den großen Krug von Nabeul zeichnete – ein Monument, das eine der wichtigsten Kreuzungen der Stadt ziert.
Der ebenfalls in der Tissier Werkstatt ausgebildete
Hassen Kharraz kam aus einer Töpferfamilie. Er errang zahlreiche Erfolge als Keramiker: so hat er einige Tafeln des Mausoleums von Sidi Sahbi in
Kairouan (“die Barbier-Moschee“) restauriert. Sein Sohn Gassem, und anschließend sein Enkelsohn haben das Familienunternehmen ausgebaut und modernisiert. Der Laden der Kharraz im Stadtzentrum von Nabeul verkauft heute keramische Design-Objekte.
Die Brüder Aleya und Abdelkader Ben Sedrine stammten ebenfalls aus einer Töpferfamilie und machten sich mit der „künstlerischen Töpferei“ vertraut. Der Sohn von Aleya, Mohamed, wird ebenfalls Keramiker und übernimmt 1948 die Fabrik der Tissiers. Sie bestand noch bis zu Beginn der 2000 Jahre.
Heute ist die Keramik in Nabeul allgegenwärtig. Straßen- und Hausschilder, Ladenfronten, Souvenirgeschäfte, große dekorierte Krüge… Das ist das Erbe jener Familien, denen es gelang, Innovation und althergebrachtes Handwerk miteinander zu verbinden.
Fassade signiert von Abdelkader und Mohamed Abderrazak in Nabeul - Haj Mohamed Abderrazak in seinem mit Keramikfliesen geschmückten Haus, das er selbst mit eigener Hand gezeichnet hatte
Die Fassade der ehemaligen Chemla Fabrik in Nabeul - Die von Hassen Kharraz restaurierten Keramikfliesen des Mausoleum Sidi Sahbi in Kairouan
Von Abderrazak signierter Krug, Nabeul - Die gelb-grüne Töpferware, traditionelles Handwerk von Nabeul
Lesetipp:
“Carreaux de lumière, l’art du Jelliz en Tunisie” von Guillemette Mansour (Dad éditions)
“Les maîtres potiers de Nabeul” von Christian Hongrois (Editions de la Reinette)
“Nabeul, en vert et jaune” von A. Maurières und Ph. Chambon (Edisud)